Verstirbt ein Elternteil, ist dies nicht nur emotional ein einschneidendes Erlebnis für die Hinterbliebenen, sondern hat auch finanzielle Auswirkungen. Um die monetäre Einbuße durch den Wegfall eines Elternteils aufzufangen, wird den hinterbliebenen Kindern Halbwaisenrente gezahlt. Sie ist, wie auch die Vollwaisenrente bei Verlust beider Elternteile, ein Bestandteil der Leistungen der Hinterbliebenenrente.
Inhaltsverzeichnis
Kurzerklärung zur Halbwaisenrente
Die Halbwaisenrente bzw. auch Waisenrente wird an berechtigte Kinder zunächst bis zum 18. Lebensjahr – längstens bis zum 27. Geburtstag gezahlt. Nach neusten Erhebungen der Deutschen Rentenversicherung beträgt die monatliche Halbwaisenrente 213 Euro und Waisenrente für Vollwaisen 421 Euro. Wobei es sich hier um einen sehr individuellen Betrag handelt, der sich nach den Rentenanwartschaften des verstorbenen Elternteils richtet. Zudem werden (Halb-)Waisen beitragsfrei in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert.
Wer hat Anspruch auf Halbwaisenrente?
Halbwaisenrente beantragen können
- leibliche Kinder
- Adoptivkinder
Ebenso besteht ein Anspruch auf Halbwaisenrente für
- Stiefkinder
- Pflegekinder
die zum Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt haben.
Im Einzelfall können auch dauerhaft im Haushalt des Verstorbenen lebende Enkel und Geschwister anspruchsberechtigt sein und Halbwaisenrente beantragen. Diese haben Anspruch darauf, wenn sie in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Verstorbenen lebten und/oder für den überwiegenden Unterhalt des Verstorbenen aufgekommen sind.
Die Haushaltsgemeinschaft zum Zeitpunkt des Todes ist zwingende Voraussetzung für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente, so auch die Entscheidung des SG Mainz (Az.: S 13 R 526/09).
Hat der Verstorbene die Anwartschaftszeiten erfüllt?
Bevor die Hinterbliebenen die Halbwaisenrente beantragen, sollte geklärt werden, ob der Verstorbene respektive Versicherte die allgemeine Anwartschaftszeit von fünf Jahren erfüllt hat. Sie ist Bedingung für den Anspruch auf Halbwaisenrente. Bei der Berechnung der Anwartschaft werden folgende Zeiten mit einbezogen:
- vollwertige Beitragszeiten aus Pflichtbeiträge oder freiwilligen Beiträgen
- anrechenbare Zeiten der Kindererziehung
- Beiträge aus geringfügigen Beschäftigungen
- Zuschläge aus versicherungsfreier geringfügiger Beschäftigung
- so genannte Ersatzzeiten (politische Gefangenschaft, Kriegsdienst etc.)
Verkürzte Anwartschaftszeit in Ausnahmefällen
Eine Ausnahme bei der mindestens erfüllten Anwartschaftszeit ergibt sich, wenn es sich bei dem verstorbenen Versicherten um einen Berufsanfänger handelt oder der Tod durch einen Arbeitsunfall bzw. durch die unmittelbaren Aufgaben im Kriegs- oder Zivildienst verursacht wurde. Dann gilt die Anwartschaft bereits als erfüllt, wenn nur ein Pflichtbeitrag entrichtet worden ist.
Wie lange wird die Halbwaisenrente gezahlt?
Der grundlegende Zeitraum des Bezuges der Waisen- bzw. Halbwaisenrente reicht für die Dauer bis zum 18. Geburtstag des Kindes. Der längst mögliche Zeitraum für den Bezug von Halbwaisenrente endet mit der Vollendung des 27. Lebensjahres wenn …
- nachgewiesen werden kann, dass sich das Kind zu diesem Zeitpunkt noch in der Ausbildung (Schul- oder Berufsausbildung) befindet, (die Ausbildung muss mindestes 20 Wochenstunden umfangen)
- das Kind ein freiwilliges ökologischen (FÖJ), freiwilliges sozialen Jahres (FSJ), Bundesfreiwilligendienst oder einen vergleichbaren freiwilligen Dienst absolviert
- das Kind aufgrund von geistiger, körperlicher oder psychischer Behinderung nicht in der Lage ist, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen
Wichtig: Der Anspruch auf Halbwaisenrente endet nicht automatisch mit Abschluss der ersten Berufsausbildung. Auch wenn sich das Kind nach Abschluss der ersten Berufsausbildung in eine weitere Berufsausbildung begibt, bleibt der Anspruch auf Halbwaisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres bestehen. (BSG vom 07.05.2019 – Az.: B 2 U 27/17 R)
Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten
Wie auch beim Kindergeld, fließen die Leistungen der Waisenrente in der Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungen (bspw. Abitur und Studium) für höchstens vier Monate weiter.
Wie kann man Halbwaisenrente beantragen?
Um erfolgreich Halbwaisenrente zu beantragen, muss der Antrag unmittelbar nach der Kenntnis vom Tod des Versicherten erfolgen. Das ist deshalb wichtig, weil die Rente maximal für ein Jahr rückwirkend gezahlt werden kann.
Für die Halbwaisenrente muss der Antrag beim jeweiligen Rententräger gestellt werden – das kann je nach Lage die Rentenversicherung, die Berufsgenossenschaft oder die Unfallkasse des Bundes sein.
In einigen großen Städten gibt es so genannte Versorgungsämter, die dabei helfen können die Halbwaisenrente zu beantragen. Anderenfalls sollte man sich direkt an die Mitarbeiter des jeweiligen Trägers wenden.
Rentenkonto des Verstorbenen
Bevor über einen Antrag auf Halbwaisenrente entschieden werden kann, muss das Rentenkonto des Verstorbenen geklärt sein. Ist das noch nicht geschehen, müssen spätestens jetzt die noch fehlenden Unterlagen zu den erlangten Anwartschaften beim Rententräger eingereicht werden. Diese Daten sind bei den Sozialversicherern eingearbeitet worden und man kann sie notfalls auch über die Krankenkassen erfragen und bescheinigen lassen.
Ausbildungsnachweise und ggfls. Geburtsurkunden
Zusätzlich müssen alle Ausbildungsnachweise des Verstorbenen beim Antrag auf Halbwaisenrente mit eingereicht werden, da einige Ausbildungen sich positiv auf die anrechenbaren Rentenentgeltpunkte auswirken.
Handelt es sich bei den Verstorbenen um Frauen, müssen auch die Geburtsurkunden aller Kinder mit vorgelegt werden.
Download – Antrag auf Halbwaisenrente
Hier können Sie das Formular der Deutschen Rentenversicherung für die Beantragung der Halbwaisenrente herunterladen. Entweder schicken Sie den ausgefüllten unterschriebenen Antrag per Post an Ihren zuständigen Rentenversicherungsträger oder geben diesen an einer nahegelegenen Beratungsstelle ab.
Wie hoch ist die Halbwaisenrente?
Bei der Höhe der Waisenrente / Halbwaisenrente ist zu berücksichtigen, ob die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 68 SGB XII) gezahlt wird. Von der Deutschen Rentenversicherung wurden in 2022 (letzte Daten abgerufen Februar 2024) im Durchschnitt monatlich 213 Euro Halbwaisenrente und 421 Euro Waisenrente an Vollwaisen gezahlt. Die Höhe ist jedoch sehr individuell und richtet sich nach den Anwartschaften, wobei sich sich folgende Anteile ergeben:
Halbwaisenrente | Waisenrente (Vollwaise) | |
Rentenversicherung | 10% des zum Todeszeitpunkt erarbeiteten Rentenanspruchs des Verstorbenen zuzüglich eines individuell berechneten Zuschlags | 20% des zum Todeszeitpunkt erarbeiteten Rentenanspruchs der Verstorbenen zuzüglich eines individuell berechneten Zuschlags |
Unfallversicherung | 20% des Jahreseinkommens des Verstorbenen (1/12 monatlich) | 30% des Jahreseinkommens der Verstorbenen (1/12 monatlich) |
Beispiel: Hatte sich der verstorbene Versicherte zu Lebzeiten einen monatlichen Rentenanspruch von 1.100 Euro erarbeitet, so betrüge die Halbwaisenrente mindestens 110 Euro monatlich – zuzüglich eines persönlichen Zuschlags für die Beitragszeiten von etwa 85 Euro, so dass mit einer Halbwaisenrente in Höhe von fast 200 Euro monatlich gerechnet werden könnte. Bei einer Vollwaisenrente würde sich der Betrag entsprechend verdoppeln.
Eine genaue Berechnung kann allerdings nur der Rententräger anstellen, da hier monatsgenau die Beitragszeiten ermittelt werden müssen.
Achtung: Die Summe aller Hinterbliebenenrenten darf 80 Prozent des Jahresverdienstes des Versicherten nicht übersteigen.
Einkommensanrechnung abgeschafft
Zum 01.07.2015 wurde die Einkommensanrechnung bei der Waisen- und Halbwaisenrente vollständig aufgehoben. Einkommen von volljährigen Bezugsberechtigten kann die Höhe der Rentenzahlung also nicht mehr reduzieren, unabhängig davon, wie viel der Waise/ Halbwaise verdient.
Wird die Halbwaisenrente auf andere Sozialleistungen angerechnet?
Es gibt verschiedene Sozialleistungen, die Einkommensersatzleistungen und Unterstützungen sind, auf die die Halbwaisenrente angerechnet wird, da sie rein rechtlich als vollwertiges Einkommen behandelt wird. Das betrifft vor allem:
Die Halbwaisenrente wird in voller Höhe überall dort angerechnet, wo soziale Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der Sicherung des Obdachs gezahlt werden.
Halbwaisenrente und BAföG
Die Halbwaisenrente wird genauso wie die Waisenrente als vollwertiges Einkommen auf den BAföG Bedarf angerechnet (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 BAföG). Mehr zur BAföG Einkommensanrechnung
Es besteht jedoch ein kleiner Freibetrag von 255 Euro für Auszubildende und Studenten an Hochschulen und Universitäten, deren Besuch keine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt (§ 23 Abs. 4 Nr. 1 BAföG). Für andere Auszubildende liegt der Freibetrag bei 180 Euro.
Bei Beantragung des BAföG müssen Rentenbescheide, auf welchen die Höhe der Halbwaisenrente ersichtlich ist, dem Antrag beigefügt werden.
Halbwaisenrente und Ausbildung / Praktikum
Die Vergütung eines Pflichtpraktikums oder eines Ausbildungsverhältnisses wird ohne Freibetrag auf den Bedarf angerechnet (vgl. § 23 Abs. 3 BAföG).
Halbwaisenrente und Bürgergeld
Entgegen der Annahme vieler wird die Halbwaisenrente nach dem SGB VI als sonstiges Einkommen auf den Bürgergeld Bedarf angerechnet. Bei Bezug von Halbwaisenrente wird sich somit die Höhe der Bürgergeld Zahlung verringern.
Halbwaisenrente in der Krankenversicherung und in der Steuer / Steuererklärung
Anlage Rente in der Einkommensteuererklärung
Wichtig: Die Einkünfte aus der Halbwaisenrente unterliegen grundsätzlich der Steuerpflicht.
Das heißt, dass die Halbwaisenrente in der Steuererklärung mit aufgeführt und vor dem Staat versteuert werden muss. Bei der Steuererklärung muss also die Anlage Rente immer mit ausgefüllt werden.
Dabei fließt aber nicht der volle Rentenbetrag mit in die Steuer ein, sondern immer nur der so genannte Ertragsanteil, den man sich vom Rententräger nennen lassen kann. Er ist abhängig von dem Zeitraum, der beim verstorbenen Versicherten noch bis zum Eintritt der Altersrente vergehen würde. Der so errechnete Betrag wird noch gekürzt um eine Werbungskostenpauschale.
Versicherungspflicht – beitragsfrei krankenverischert
Wer eine Halbwaisenrente oder Waisenrente bezieht, wird darüber in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung beitragsfrei pflichtversichert. Die beitragsfreie Krankenversicherung gilt so lange, bis man eine berufliche Ausbildung oder Freiwilligenjahr absolviert, ein Arbeitsverhältnis aufnimmt oder Leistungen der Bundesagentur für Arbeit erhält.
Wer eine private Krankenversicherung hat oder freiwillig gesetzlich versichert ist, der kann sich den Zuschuss des Rententrägers zur Kranken- und Pflegeversicherung auf Antrag auch mit auszahlen lassen. In diesem Falle käme der Bruttobetrag der Halbwaisenrente zuzüglich der Zuschüsse zur Auszahlung. Dem Antrag sind die Nachweise über das Bestehen einer privaten oder freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung beizufügen.
Halbwaisenrente und Erziehungsrente – Was viele nicht wissen
Wer ein halbwaisenberechtigtes Kind aus einer geschiedenen Ehe im Haushalt hat, der hat keinen Anspruch auf eine Witwenrente. Dennoch können auch in diesem Falle die erziehenden Elternteile wirtschaftlich mit abgesichert werden.
Leider ist die Erziehungsrente noch sehr wenig bekannt. Sie wird für den Fall gezahlt, dass der erziehende Elternteil nicht wieder geheiratet hat und die Halbwaise unter 18 Jahre alt ist.
Die Erziehungsrente wird einkommensabhängig aus dem Rentenanspruch des erziehenden Elternteils gezahlt. Also im Zweifelsfall bei den Rententrägern immer mit anfragen, ob ein Anspruch auf Erziehungsrente besteht.
Weitere Infos zur Erziehungsrente auf der Seite der Deutschen Rentenversicherung unter https://www.deutsche-rentenversicherung.de.
Besteht noch Anspruch auf Halbwaisenrente bei Heirat?
Mit der Heirat eines Halbwaisen verändert sich der Status als Halbwaise nicht. Der Anspruch auf Halbwaisenrente bleibt folglich bestehen, solange alle anderen Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind. Das Einkommen des Ehegatten und eigene Einkünfte werden nicht angerechnet.
Wann endet der Anspruch auf Halbwaisenrente?
Der Anspruch auf Halbwaisenrente endet grundsätzlich mit Vollendung des 27. Lebensjahres. Bei Tod der Waise endet die Rente mit Ende des Sterbemonats.
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