Der Versorgungsausgleich wird im Rahmen des Scheidungsverfahrens vom Familiengericht vorgenommen. Gerade bei jüngeren Partnern dauert es nach dem Versorgungsausgleichsverfahren noch einige Jahre bis zur Rente. Im Laufe dieser Zeit kann es einerseits zu gesetzlichen Neuregelungen des Versorgungsausgleichs kommen, durch die sich eine wesentliche Wertveränderung ergibt. Andererseits kann es zwischen dem Beschluss des Versorgungsausgleichs und dem Leistungsbezug zu persönlichen Änderungen kommen. Für diese Situationen gibt es die Möglichkeit, den Versorgungsausgleich nachträglich abzuändern.
Inhaltsverzeichnis
Welche Rentenanwartschaften nachträglich abändern?
Nach § 32 Versorgungsausgleichsgesetz können folgende Rentenanwartschaften nachträglich (durch eine Klage) angepasst werden:
- Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung
- Beamtenversorgung
- Beamtenähnliche Versorgung
- Berufsständische Versorgung
- Alterssicherung der Landwirte
- Versorgungssysteme der Abgeordneten und Regierungsmitglieder im Bund und in den Ländern
Gründe für Abänderung von Rentenanwartschaften
Der Wert des Versorgungsausgleichs hat sich beispielsweise durch die persönliche Situation eines oder beider Ehegatten geändert. Zudem ist es möglich, dass sich die Berechnung des Versorgungsausgleichs durch die Gesetzeslage verändert hat und der Versorgungsausgleich nach neuem Recht anders ausfallen würde.
Unberechtigte Gründe für eine Abänderung des Versorgungsausgleichs sind hingegen:
- Im Versorgungsausgleichsverfahren wurden Anrechte vergessen.
- Im Versorgungsausgleichsverfahren kam es zu Rechen- oder Rechtsanwendungsfehlern.
- Schuldrechtlich auszugleichende Anrechte können ebenfalls nicht per Abänderungsverfahren angepasst werden. Aber: Noch ausstehende schuldrechtlich auszugleichende Anrechte werden i. d. R. sowie mit den aktuellen Wertveränderungen berücksichtigt, sodass hier keine Klage notwendig ist.
Beispiele für Abänderung basierend auf individueller Umstände
- Der geschiedene Mann wird vor Erreichung des Rentenalters erwerbsunfähig. Er zahlt also nicht – wie vorher angenommen – bis zum Schluss in die Rentenversicherung ein. Er benötigt die Rente auch eher als angenommen. Dadurch verringert sich die monatlich ausgezahlte Rente – und auch der hälftige Anspruch seiner Ex-Frau.
- Die geschiedene Ehefrau verliert ihren sehr gut bezahlten Job und arbeitet fortan in einem durchschnittlich bezahlten Job. Dies führt dazu, dass sie viel weniger in die Rentenversicherung einzahlt und sich ihr Rentenanspruch verringert. Im Versorgungsausgleichsverfahren wurden die Rentenansprüche aber mit dem sehr gut bezahlten Job zugrunde gelegt. Dies führte dazu, dass sie ihrem Ex-Mann die Hälfte dieser Anwartschaften abgeben musste. Im Rahmen der Abänderungsklage wird über den Versorgungsausgleich neu entschieden.
Beispiele für Abänderung aufgrund von Wertveränderung nach neuem Recht
- In 2014 wurden die Kindererziehungszeiten (Mütterrente) verlängert. Dies kann dazu führen, dass sich die Altersvorsorge für die Frau erhöht und der Mann dadurch weniger ausgleichen muss.
- 2015 wurde eine neue Altersgrenze für Beamte festgelegt. Dadurch dürfen Beamte erst bis zu zwei Jahre später in den Ruhestand gehen, dies wirkt sich auch auf die Rentenanwartschaften aus.
- Bis zum 31.08.2009 wurden alle Rentenanwartschaften getrennt ermittelt und jeweils addiert. Derjenige, der die höheren Anrechte hatte, musste dem anderen Partner die Hälfte abgeben. Dies ist nun nicht mehr so. Mittlerweile werden alle Anwartschaften jeweils auf beide Partner aufgeteilt. Dies führt dazu, dass beide Partner jeweils ausgleichspflichtig- und berechtigt sein können.
Voraussetzungen für das Abänderungsverfahren
Neben den oben aufgeführten berechtigten Gründen müssen grundsätzliche Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Familiengericht das Verfahren durchführt (§ 225 FamFG):
- Die Änderung muss voraussetzen, dass sich der Ausgleichswert des Anrechts durch die Abänderung wesentlich erhöht oder erniedrigt. Wesentlich ist sie, wenn sich der Ausgleichswert um mindestens 5% verändert und sich der Rentenbetrag als maßgebliche Bezugsgröße nach § 18 SGB IV um mindestens 1% erhöht.
- Die Abänderung muss sich darüber hinaus zugunsten eines der beiden Ehegatten oder seiner Hinterbliebenen auswirken.
Wichtig: Eine Änderung der Versorgungsanrechte erfolgt NICHT automatisch. Die Anpassung erfolgt selbst dann nicht automatisch, wenn Gesetzesänderungen vorliegen und eine Abänderung mehr als eindeutig ist. Der Betroffene muss daher in jedem Fall einen Anpassungsantrag stellen.
Antrag auf Abänderung stellen
Der Antrag kann von beiden Ehegatten, ihren Hinterbliebenen und dem betroffenen Versorgungsträger gestellt werden. Bei der Antragsstellung muss beachtet werden, dass der Abänderungsantrag frühestens sechs Monate vor dem bevorstehenden Rentenbeginn (Leistungsbeginn) eingereicht werden kann. Wenn sich der Leistungsbeginn durch die Abänderung verschieben würde, gilt der durch die Änderung erzielte Rentenbeginn.
Eine Abänderung ist sogar möglich, wenn der Versorgungsausgleich nicht vom Familiengericht, sondern in einer Vereinbarung zwischen den Ehegatten (Ehevertrag, Scheidungsfolgenvereinbarung) festgelegt wurde. Wichtig ist jedoch, dass der Versorgungsausgleich nicht ausgeschlossen wurde.
Vorgehen des Gerichts
Im Zuge der Totalrevision überprüft das Familiengericht die frühere im Versorgungsausgleichsverfahren getroffene Entscheidung nach neuem Recht und der aktuellen persönlichen Situation beider Parteien. Das Gericht betrachtet hierbei alle Rentenanrechte, die bei der Erstentscheidung berücksichtigt wurden – sollten damals Anrechte vergessen worden sein, können diese nicht nachträglich im Abänderungsverfahren berücksichtigt werden.
Das Gericht berücksichtigt in diesem Zuge auch, ob sich durch die Neubewertung der Rentenanwartschaften insgesamt eine Unbilligkeit ergäbe (§§ 226 Abs 3, 227 VerAusglG). Sollte dies der Fall sein, wird der Versorgungsausgleich nicht abgeändert – selbst, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind.
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, sich durch die Anpassung keine Unbilligkeit ergäbe und das Gericht die Abänderungsklage anerkennt, erfolgt eine Korrektur des Rentenanrechts, dessen Ausgleichswert sich verändert hat. Die Entscheidung des Gerichts wirkt bereits ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragsstellung folgt (§ 226 Abs. 4 FamFG).